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Cash oder Crash: Finfluencing im Fokus

In den letzten Jahren hat sich der Kapitalmarkt dramatisch verändert: Eine neue Generation von Anleger*innen erobert die Finanzwelt, begleitet von einer wachsenden Zahl an Finfluencer*innen, die auf Social Media mit ihren Tipps und Analysen Millionen von Follower*innen erreichen. Diese selbst ernannten Finanzexperten schaffen es komplexe Themen leicht verständlich und unterhaltsam aufzubereiten und damit vor allem die Gen Z für Aktien, ETFs und Co. zu begeistern. Doch mit dem Boom des Finfluencing stellen sich auch kritische Fragen: Wer sind diese neuen Stars der Finanzwelt und wie seriös sind ihre Empfehlungen? Was macht sie zu solch einflussreichen Akteur*innen? Welche Chancen und Risiken ergeben sich für Unternehmen, die eine Zusammenarbeit mit Finfluencer*innen anstreben? Diese Fragen beleuchten wir in folgendem Beitrag.

Kapitalmarkt im Wandel: Der Boom der Junginvestoren und Finfluencer

Das Interesse junger Menschen an den persönlichen Finanzen und Investitionen am Aktienmarkt hat seit dem Jahr 2020 stark zugenommen. Vielen jungen Investierenden gab das Thema vor allem im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie Orientierung und Stabilität.

 

Auch der Langzeittrend zeigt, dass die junge Generation immer mehr auf dem Kapitalmarkt mitmischt und dabei auf die Renditechancen des Sparens mit Aktien setzt: Dem Deutschen Aktieninstitut zufolge hat sich die Zahl der Anleger*innen unter 40 Jahren in den letzten zehn Jahren verdoppelt: von 1,8 Millionen auf 3,6 Millionen Menschen.

 

Besonders beliebt in dieser Altersgruppe ist das Anlegen des Geldes in Exchange Trade Funds (ETFs) – ein ebenfalls beliebtes Anlagethema bei Finfluencer*innen auf Instagram, TikTok oder YouTube.

Mehr als die Hälfte der Finfluencer*innen ist ebenfalls erst seit dem ersten Pandemiejahr 2020 auf Social Media aktiv, wie eine aktuelle Untersuchung zu 357 deutschsprachigen Finfluencer*innen der HHL Leipzig Graduate School of Management in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma Paradots feststellt.

 

Zusammen versammeln sie insgesamt rund 10 Millionen vorwiegend jüngere Follower*innen hinter sich und werden damit zu immer relevanteren Akteuren zwischen Investoren, Unternehmen und Kapitalmarktakteuren.

Finfluencing als Infotainment: Das Erfolgsrezept

In meist kurzen, visuell ansprechenden Videos geben Finfluencer*innen, wie etwa der prominenteste Finfluencer Deutschlands Ibo Ahmiane, auch bekannt als „Professorfinanzen“, Tipps rund um die eigenen Finanzen: Analysen zu Einzelaktien, Kryptowährungen, Budgetmanagement-Apps und Tipps für passives Einkommen sind dabei besonders hoch im Kurs stehende Themen für die Gen Z.

 

Dabei holen sie junge Follower*innen dort ab, wo sie sich ohnehin gerne aufhalten und informieren. Von den 15-34-Jährigen nutzen 91 % Social Media sowohl in privaten als auch in professionellen Kontexten, sodass sich Finanzinformationen „on the go“ gut in die tägliche Social-Media-Nutzung integrieren lassen.

 

Sie schaffen das, was traditionellen Banken und Kreditinstituten bislang nicht gelingt: Durch Reels oder TikToks mit Titeln wie „So wirst du zum Millionär“ oder „Dein Stromanbieter raubt dich aus“ gelingt es Finfluencer*innen Finanzthemen emotional aufzuladen und Begeisterung zu wecken. Die wahrgenommene soziale Nähe, der ungezwungene Kommunikationsstil und der authentische Auftritt erzeugen dazu noch Vertrauen bei den Follower*innen.

 

Komplexes, meist trockenes Finanzwissen wird von ihnen in leicht verständliche und noch dazu visuell ansprechende Inhalte gegossen, welche auch für Menschen, die sich bislang noch nicht mit Finanzthemen auseinandergesetzt haben, eine niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeit darstellen. Mit dieser Kommunikationsstrategie bewegen sich Finfluencer*innen weg von einer elitären Vorstellung des Themas und ändern die Art und Weise, wie wir über Geld sprechen, lernen und denken.

Zielgruppe männlich, jung, finanziell interessiert?

Die Mehrheit der Followerschaft von Finfluencer*innen befindet sich in ihren Zwanzigern und Dreißigern. Das Interesse bei älteren Nutzer*innen wächst jedoch, sodass die Zielgruppe hier nicht vollkommen homogen ist. Auch die Interessen innerhalb der Altersgruppen sind breit gestreut und reichen von grundlegenden Tipps zum Geldsparen hin zu fortgeschrittenen Investitionsstrategien.

 

Anders sieht es bei der Geschlechterverteilung aus: Laut Studienergebnissen der HHL Leipzig Graduate School of Management sind 81 % der deutschsprachigen Finfluencer*innen männlich. Gleichwohl fokussieren sich rund 5 % aller Finfluencing Accounts speziell auf das Thema „Finanzen für Frauen“. Finfluencerinnen wie Natascha Wegelin alias madamemoneypenny, erkennen, dass Frauen nach wie vor mit geschlechtsspezifischen Herausforderungen konfrontiert sind: Gender-Pay-Gap, Gender Whealth Gap oder die Pension Gap nur einige nach wie vor existierende Phänomene, die verdeutlichen wie wichtig es für Frauen ist, die Finanzen in die eigene Hand zu nehmen. Finfluencerinnen wie madamemoneypenny unterstützen Frauen dabei.

Expert*innen oder schwarze Schafe?

Längst nicht alle Finfluencer haben überhaupt einen finanzökonomischen oder wirtschaftlich akademischen Hintergrund: Die HHL Leipzig Graduate School of Management zeigt in ihrer Studie, dass 35 % der untersuchten Finfluencer*innen keine einschlägige Finanzbildung nachweisen können. Auf diesen Accounts findet sich oftmals das Narrativ von negativen eigenen Erfahrungen mit Finanzberater*innen wieder, aufgrund derer sie sich selbstständig Finanzwissen angeeignet haben. Dem gegenüber stehen dennoch immerhin 44 % an Finfluencer*innen mit entsprechendem Finanzhintergrund.

 

Wer die Finfluencer*innen sind und wo sie ihr Fachwissen hernehmen, ist für Laien dabei aber nicht immer erkennbar, weshalb¬ die Bafin vor selbst ernannten Expert*innen auf ihrer Website warnt und darauf hinweist, dass sich Angaben seröser Akteure oftmals anhand anderer Quellen überprüfen lassen. Eine hohe Followerschaft, viele Likes und positive Kommentare allein seien kein Garant für Seriosität und Qualität des Inhalts.

 

Vorsicht ist in dem Fall geboten, wenn die Identität des Verfassers nicht eindeutig hervorgeht und sich der berufliche Hintergrund nicht erkennen lässt.

 

Aktuell liegt der Anteil der Finfluencer*innen, die gar keine Angaben zu ihrem Hintergrund machen, bei 24 % ¬ – darunter auch professorfinanzen. In einem Reel aus dem Sommer 2024 spricht er über den derzeitigen Börsencrash, die damit verspürte kollektive Panik und warum genau jetzt für ihn der ideale Zeitpunkt zum „Shoppen“ von Aktien ist. Eine erstellte Liste mit Aktien, die er jetzt kauft, erhalten Follower*innen, wenn sie mit „DM“ kommentieren.

Finfluencing im rechtlichen Graubereich

Indem professorfinanzen seine Investitionsempfehlungen bewusst nur „durch die Blume“ weitergibt, bewegt er sich noch auf der legalen Seite des rechtlichen Graubereichs des Finfluencing. Konkrete Anlageberatungen dürfen nur von der BaFin registrierte und entsprechend qualifizierte Finanzdienstleister anbieten. Analysen, Empfehlungen oder auch Werbung, soweit diese gekennzeichnet ist, sind hingegen legal.

 

Und dennoch teilweise nicht unproblematisch, wie etwa Werbung für komplexe und sehr riskante Finanzprodukte, wozu Derivat, Day- oder auch Copy-Trading gehören.

 

Bei letzterem kopiert ein Investor das Depot des Händlers eins zu eins, womit ein meist zwischen 20 und 50 % liegender Teil des Gewinns an den nachgeahmten Händler geht, in dem Fall¬ an den/die Finfluencer*in. Verspekuliert diese*r sich, kann es für die Verbraucher*innen bitter enden: Es drohen Totalverluste.

 

Versprechen Finfluencer*innen eine „100-prozentige Erfolgsgarantie“ oder „garantierte Renditen ganz ohne Risiko“, so sollten Verbraucher*innen hellhörig und misstrauisch werden. Solche Versprechen gelten als unseriös und entpuppen sich häufig als Täuschungen. Finfluencing hat damit viele Gesichter und reicht von der Vermittlung von fundiertem Finanzwissen einerseits hin zu hochriskante Anlagetipps, fadenscheinigen Schnellballsystemen und teuren Coachings.

 

Nur knapp ein Viertel der Finanz-Gurus gelten als qualifiziert

Studienergebnisse des Swiss Finance Institute aus dem letzten Jahr verdeutlichen hier die Gefahren für Verbraucher*innen: Nur 28 % der 29.000 untersuchten englischsprachigen Finfluencer*innen wurden als qualifiziert eingestuft. 16 % von ihnen werden als unqualifiziert bewertet und die größte Gruppe von 56 % wird sogar als antiskilled eingeordnet

 

Soll heißen: Das Befolgen von Ratschlägen dieser Gruppe geht mit realem Geldverlust einher. 

Ebenfalls besorgniserregend scheint, dass gerade diese letzte Gruppe der Finfluencer*innen, mit schädlichen Investitionsratschlägen im Angebot, die meisten Follower*innen, Engagement und Einfluss hat.

 

Verschärfend kommt der Umstand hinzu, dass Finfluencer*innen eine vorwiegend junge und vulnerable Zielgruppe haben, welche sich durch ein verspürtes Vertrauen in ihren Entscheidungen beeinflussen lässt. Immerhin hat jeder zweite Erwachsene unter 35 Jahren schon einmal ein Investment auf Rat eines Finfluencers/ -einer Finfluencerin getätigt, wie eine aus dem vergangenen Jahr stammende Untersuchung der Fachhochschule St. Pöllen mit der Beratungsfirma Paradots zeigt. 

 

Ihr Einfluss ist damit groß und sicherlich auch darin begründet, dass die Gefühle der Unsicherheit und Ungewissheit in vielen Lebensbereichen der GenZ dominieren, auch in Sachen Finanzwissen. Ihr eigenes Banking-know how schätzen mehr als 80 Prozent der GenZler als eher gering ein  und wünschen sich hier Beratung und einen persönlichen Kontakt, wenn auch nicht vor Ort, wie aktuelle Untersuchungsergebnisse der Boston Consulting Group aufzeigen.

 

Finfluencer in die Finanzkommunikation miteinbeziehen: Chancen, Bedenken und Risiken

Finfluencer*innen sind es schon längst: der Erfolgsschlüssel zur Modernisierung der Finanzkommunikation in Unternehmen. Die Einbindung von ihnen in die Kommunikationsstrategie hält große Potenziale, wenn auch einige Risiken bereit. Eine der größten Chancen besteht zweifelsfrei darin, dass Finfluencer*innen als Brücke zur jüngeren, investitionsinteressierten Zielgruppe, insbesondere der Gen Z, dienen können. Über sie gelingt ein direkter Dialog und eine größere Reichweite.

 

Trockenes, komplexes Finanzwissen aufbereitet in leicht verständliche, schnell konsumierbare Informationen und Tipps, die vor allem durch den Unterhaltungsfaktor glänzen. Durch die wahrgenommene soziale Nähe zu den Finfluencer*innen entsteht ein Vertrauensverhältnis, in dem sich die Follower*innen leicht beeinflussen lassen -¬ sowohl bei Meinungen als auch im Verhalten.

 

Wie speziell die jüngere Generation aus Unternehmensperspektive gut erreicht werden kann, ist nicht zuletzt insofern relevant, als sich das Vermögen der Millennials und Gen Z bis in die 2030er Jahre verfünffachen wird.  Ein Viertel des weltweiten Gesamtvermögens wird damit zukünftig der heutigen jüngeren Generation gehören, womit sie zu einer höchst relevanten Zielgruppe für Unternehmen und Banken werden.

 

Entscheiden sich Unternehmen für eine Zusammenarbeit mit Finfluencer*innen, sollte dieser unbedingt eine sorgfältige Auswahl zugrunde liegen, um mögliche Reputationsschäden abzuwenden. Ein solches Screening zur Sicherstellung der Seriosität und Glaubwürdigkeit kann intern gemanaged oder über externe spezialisierte Akteure, wie Influencer-Agenturen abgewickelt werden.

 

Unabhängig davon, ob sich Unternehmen dafür entscheiden, Finfluencer*innen mit in die eigene Strategie mit aufzunehmen, sollten sie ihre Krisenkommunikation im Umgang mit Finfluencer*innen sensibilisieren. So ist die Gefahr allgegenwärtig, als Unternehmen selbst öffentlichkeitswirksam negativ thematisiert und zu Content zu werden. An der Stelle ist ein funktionierendes Social-Media-Monitoring und -Listening gefragt. 

 

Im Falle einer Zusammenarbeit sollte diese auf Dauer ausgelegt sein, da langfristige Partnerschaften eine nachhaltige und glaubwürdige Kommunikation mit der Zielgruppe gewährleisten.

 

Ebenso sollten Finfluencer*innen Raum für eine freie und kreative inhaltliche Gestaltung ihres Contents gegeben und auf strikte inhaltliche Ausarbeitungen verzichtet werden. Als Social-Media-Expert*innen wissen sie ganz genau welcher Content bei der Community am besten ankommt und besonders authentisch ist.

 

Zweifelsohne bleiben Partnerschaften mit Finfluencer*innen jedoch ressourcenintensiv, sodass sie nicht für alle Unternehmen möglich oder überhaupt relevant sind. Zudem sollten Unternehmen berücksichtigen, dass sie in Zukunft für die Aussagen der von ihnen bezahlten Finfluencer*innen haften müssen. Die rechtliche Grundlage dafür ist die im Mai auf EU-Ebene beschlossene EU-weite Kleinanlagerstrategie, die Unternehmen mehr Orientierung im Umgang mit Finfluencer*innen geben soll.

 

In jedem Fall können Unternehmen von Finfluencer*innen lernen. Ob bei jedem Finanzguru fundiertes Fachwissen dahintersteht oder nicht – in jedem Fall sind sie¬ wahre Social Media Kommunikationskünstler.